Konsequenzen aus dem NSU-Skandal ziehen – Verfassungsschutz abschaffen!

Konsequenzen aus dem NSU-Skandal ziehen – Verfassungsschutz abschaffen!

Beschlossen von der 24. Landesmitgliederversammlung

Kein Schlussstrich!

Das Ende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Brandenburg, des Prozesses vor dem Oberlandesgericht in München im vergangenen Sommer und der anderen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder bedeutet nicht das Ende der Aufklärung des NSU. Noch immer wissen die Angehörigen der Opfer des NSU nicht wie Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und ihre Unterstützer_innen die Taten planen und begehen konnten. Ebenso wenig konnte weder das Unterstützungsnetzwerk des NSU bisher vollends ausgeleuchtet werden, noch wurden die tatsächlichen Erkenntnisse der staatlichen Behörden und ihrer V – Personen umfassend aufgeklärt. Deswegen und weil der tief verankerte Rassismus der deutschen Gesellschaft, der den Angehörigen auch bei den gegen sie gerichteten Ermittlungen entgegenschlug, nicht an Aktualität verloren hat, stellen die Untersuchungsausschüsse nur den Anfang und nicht das Ende der Aufklärung der Taten des NSU dar.

Neonazis und ihre Netzwerke

War der Anlass des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Brandenburg die Tätigkeit des V-Mannes Carsten Szczypanski der Abteilung 5 des Innenministeriums, sowie seine frühen Erkenntnisse über den Verbleib, die Kontakte zur sächsischen Blood & Honour Sektion und ihren Versuch Waffen zu beschaffen, hat der Untersuchungsausschuss die über Szcypanski hinausgehenden Kontakte der Brandenburger Neonazis nach Sachsen herausgearbeitet. Fakt ist: auch die Brandenburger Sektionen von Blood & Honour, insbesondere das Potsdamer Umfeld des bis heute aktiven Neonazis Uwe Menzel, pflegten enge Kontakte nach Chemnitz. Dabei ging es ihnen mitnichten „nur“ um ein Netzwerk aus Bands, Musiklabeln, Vertriebsstrukturen und Konzertveranstaltern. Im Mittelpunkt stand die Radikalisierung und Organisation eines weiten neonazistischen Netzwerkes, das es zum Ziel hatte einen „Rassekrieg“ zu entfachen. Nicht nur die in diesem Netzwerk organisierten Neonazis sind zum Teil immer noch aktiv, auch ihre menschenverachtende Ideologie stellt nach wie vor eine Gefahr dar und muss endlich ernst genommen und bekämpft werden.

Teil des Problems, nicht einer Lösung – Verfassungsschutz abschaffen

Alle bisherigen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder offenbarten, dass die Inlandsgeheimdienste von der potentiellen Bedrohung des NSU und seines Netzwerkes, nicht zuletzt durch die unzähligen V-Personen im Umfeld des NSU, Kenntnis hatten. Und dennoch konnte der NSU länger als ein Jahrzehnt mordend durch die Bundesrepublik ziehen ohne gestoppt zu werden.

Die Befassung des Brandenburger Untersuchungsausschusses mit der Führung menschlicher Quellen hat zudem gezeigt, dass dieses operative Mittel des Verfassungsschutzes nicht nur in Einzelfällen problematisch ist. Neben der Tatsache, dass Neonazis in der Szene gehalten, z.T. sogar aktiv noch tiefer in diese hineingesteuert werden und dabei staatliche Mittel erhalten, zeigte sich, dass die Quellenführung viel zu häufig am Rande des legal möglichen stattfand. Durch das „notwendige“ Vertrauensverhältnis zwischen Quelle und V – Personenführung und das sich daraus entwickelnde Interesse der Beteiligten werden die vermeintlichen Einzelfälle von Geheimnisverrat und Warnungen vor operativen Maßnahmen zu einem dem V – Personensystem immanenten Problem, das nur durch seine Abschaffung gelöst werden kann. Auch zeigte sich, dass bei in der Vergangenheit aufgetretenen Skandalen keine wirksame parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes möglich gewesen ist. Viel mehr noch: im Untersuchungsausschuss wurde eine organisierte Verantwortungslosigkeit der leitenden Exekutiven deutlich.

Daher fordert die Landesmitgliederversammlung der Linksjugend [’solid] Brandenburg den Landessprecher_innenrat dazu auf, sich gegenüber der Partei DIE LINKE für folgende Positionen einzusetzen:

  1. Rassismus ist und bleibt eines der zentralen gesellschaftlichen Probleme. Initiativen und Organisationen, die sich mit diesem auseinandersetzen, müssen auch künftig gestärkt und unterstützt werden.
  2. Einsetzung einer Enquetekommission Rassismus nach dem Thüringer Vorbild im Landtag Brandenburg.
  3. Weitere Stärkung der zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen, die sich mit der organisierten Neonaziszene auseinandersetzen.
  4. Abschaffung des Verfassungsschutzes.

Auch wenn die Einrichtung von Verfassungsschutzbehörden auf Landesebene bisher bundesgesetzlich festgeschrieben ist, müssen wir langfristig an dessen Abschaffung arbeiten. Eine Aufstockung der Mitarbeiter_innen des Verfassungsschutzes, sowie die Übertragung von zusätzlichen Kompetenzen darf es mit einer LINKEN nicht geben. Mögliche Reformen des Verfassungsschutzgesetzes müssen an diesen Prämissen gemessen werden und substanzielle Verbesserungen, wie die Abschaffung der V – Personenführung, die Ausweitung der Parlamentarischen Kontrolle oder die Einrichtung eines Innenrevisors, beinhalten.

Begründung:
Mit dem Ende der Legislatur des 6. Brandenburger Landtags wird auch der parlamentarische NSU Untersuchungsausschuss zum Abschluss kommen. Nach bisher knapp 40 Sitzungen und zahlreichen Vernehmungen stellt sich nunmehr die Frage, welche Konsequenzen aus der bisherigen Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses gezogen werden. Es ist offensichtlich, dass CDU und SPD, wie bereits auf Bundesebene, den Geheimdienst trotz der herausgearbeiteten Verfehlungen nicht in seiner Konstitution in Frage stellen werden. Umso wichtiger ist es, diese Position mit Beginn der Debatte offensiv zu vertreten.